Edeka pflanzt Bäume, Ecosia sowieso und selbst Julia Klöckner hat das Thema für sich entdeckt – Aufforstungsprojekte sind attraktiv, denn sie bieten eine vermeintlich einfache Lösung auf ein verdammt drängendes Problem: den Klimawandel. Und das ohne wehzutun. Nur, wie sinnvoll ist es, Bäume zu pflanzen? Und welche Organisationen sind unterstützenswert?
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Anmerkung der Redaktion: Neue Recherchen zu Zertifikatprogrammen stellen den Sinn von bestimmten Umweltschutzprojekten in Frage. Empfehlungen und Informationen in diesem Beitrag könnten veraltetet sein. Unsere Beiträge zum Thema werden demnächst aktualisiert.
Baumpflanzprojekte: Früher war mehr Wald!
Seit jeher haben wir Menschen mehr Bäume gerodet, als gepflanzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl wir inzwischen ganz genau wissen, dass Wälder mehr können, als Platz für Weideland schaffen – unter anderem unseren CO2-Ausstoß schlucken.
Darauf basiert auch das Prinzip, dem Baumpflanzprojekte zugrunde liegen: Ein Baum nimmt CO2 auf und bindet dieses. Viele Bäume nehmen demnach viel CO2 auf und binden dieses. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sinkt, die Erderwärmung wird gebremst. Bäume kompensieren so den Schaden, den wir verursacht haben. Das klingt doch zu einfach, um wahr zu sein, oder?
Bäume pflanzen gegen den Klimawandel
Machen wir Wälder zu unseren Partnern im Klimaschutz, bezeichnet man dies als “Natural Climate Solution”. Untersuchungen haben ergeben, dass die (Wieder-)Aufforstung die größte natürliche Klimaschutzmöglichkeit ist, die uns zur Verfügung steht.
Um herauszufinden, wie viel ungenutztes Wald-Potenzial (wie degradierte Flächen, Ödland, Brachfläche) uns zur Verfügung steht, werteten die Forscher der ETH Zürich in ihrer vielbeachteten Studie fast 80.000 Satellitenbilder aus, bevor sie befanden: eine ganze Menge! Insgesamt sei es eine Fläche von 900 Millionen Hektar, welche spannenderweise nicht primär in den Tropen liegt, auf die sich aktuell die meisten Aufforstungsprogramme konzentrieren. Zu den Ländern mit den größten ungenutzten Flächen gehören Russland, die USA, Kanada, Australien und China.
Die menschengemachten CO2-Emissionen in der Atmosphäre belaufen sich auf rund 300 Milliarden Tonnen. Würde man auf der gesamten verfügbaren Fläche Bäume anpflanzen, könne man, so die Studie, mehr CO2 als bislang angenommen in wiederaufgeforsteten Wäldern speichern. Insgesamt etwa 200 Milliarden Tonnen (was unsere Atmosphäre immerhin um rund 100 Milliarden Tonnen entlasten würde).
Bäume sind nicht “nur” Klimaretter
Als wäre das nicht Grund genug, sofort Bäume zu pflanzen, bieten Wälder vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Sie sind damit unverzichtbar für ein weiteres drängendes Problem unserer Zeit: dem Erhalt der biologischen Vielfalt. Die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen verbessern Wälder, Wurzeln schützen Böden vor Erosionen sowie angrenzende Flächen vor Wind und Frost. Außerdem halten sie den Wasserhaushalt der Natur im Gleichgewicht und reinigen unsere Luft. Wälder haben einen kühlenden Effekt und – nicht zu unterschätzen – bieten uns Erholungsraum.
Warum nicht alle Klimaschutzorganisationen Aufforstungsprojekte fördern
Dennoch sucht man beispielsweise in dem Projektkatalog der größten deutschen Kompensationsagentur “atmosfair” Baumpflanzprojekte vergeblich. Woran liegt das? Tatsächlich ist die Idee Aufforstung mit einigen Schwierigkeiten verbunden:
Zunächst lebt ein Baum nicht ewig. Waldbrand, Schädlingsbefall, Sturm, Abholzung oder der natürliche Lebenszyklus haben zur Folge, dass das gespeicherte CO2 eines Baumes eins zu eins wieder freigesetzt wird. Die Klimaschutzwirkung verpufft.
Es kommt hinzu, dass Jahrzehnte vergehen bis ein Baum eine signifikante Klimaschutzwirkung hat – je länger ein Baum steht, je älter er wird, desto mehr CO2 speichert er. Nun sind Stürme, Brände oder Schädlingsbefall nichts, das man vorhersehen, gar planen kann. Niemand weiß sicher, wie lange ein einem Baumpflanzprojekt entsprungener Wald besteht. Aus diesem Grund werden in den meisten Baumpflanzprojekten auch stets mehr Bäume gepflanzt. Ein Baumpuffer sozusagen.
Problematisch wird es auch, wenn immer mehr Parteien um die Nutzung eines Gebiets konkurrieren. Angesichts steigender Konkurrenz um Fläche und klimawandelbedingtem Flächenverlust steigt der Landnutzungsdruck, was zu mehr und nicht weniger Rodung (ungeschützter Wälder) führen könnte.
Da wären wir auch bei einem der größten Probleme, der Abholzung. 2017 wurden 40 Fußballfelder Regenwald gerodet – pro Minute. Im Vorjahr waren es, laut Global Forest Watch, noch mehr. 29,7 Millionen Hektar Wald, so viel wie noch nie zuvor innerhalb eines Jahres. Kritiker von Aufforstungsprojekten befürchten, dass Aufforstungsflächen durch den CO2-Kompensationsgedanken einen zusätzlichen ökonomischen Wert bekommen. Das könnte dazu führen, dass mehr Wälder gerodet würden – um sie anschließend zu bepflanzen.
Rodungen haben wir übrigens auch bei uns in der EU, zum Beispiel in Rumänien. Solange die illegale Abholzung von Wäldern nicht gestoppt wird, werden sich Baumpflanzprojekte wahrscheinlich immer ein bisschen wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlen.
Ein weiterer Grund warum einige Klimaschutzorganisationen keine Baumpflanzprojekte fördern ist der sogenannte „Leakage Effekt“. Dieser beschreibt eine Verschiebung, durch die die gut gemeinte Maßnahme letztendlich mehr CO2 verursacht. Zum Beispiel wenn anstelle des geschützten Waldstückes ein anderes, größeres gerodet wird.
Immer wieder stehen Waldprojekte zudem wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Aus diesem Grund ist es vor allem bei Projekten in Entwicklungsländern wichtig, ausschließlich Anbieter mit Antworten auf soziale Fragen vor Ort zu unterstützen,
Bäume pflanzen – als Teil der Lösung
Keine Frage: Wir müssen Wälder schützen, pflegen, aufforsten. Nachhaltige, soziale Baumpflanzprojekte sind trotz aller Schwierigkeiten (und gerade wegen vieler Herausforderungen!) uneingeschränkt unterstützenswert. Wollen wir allerdings unseren aktuellen Lebensstil ausgleichen, indem wir Bäume pflanzen, machen wir es uns zu einfach.
Jedes Jahr verursachen wir 35 Milliarden Tonnen CO2. Das ist zu viel. Der Gedanke, einen Flug mit Bäumen auszugleichen, ist so verlockend wie gefährlich, denn: Aufforsten ist eine einmalige Chance die Zeit zurückzudrehen, vieles wiedergutzumachen – kein Freifahrtschein so weiterzumachen.
Besser als jeder Flug, den wir kompensieren, ist jeder Flug, den wir nicht machen. Besser als jeder Baum, den wir neu pflanzen, ist jeder Baum, den wir erhalten. Rodungen müssen stoppen, unser Verhalten muss sich ändern, unsere Emissionen müssen drastisch sinken – und dann können Wälder sinnvoller Teil der Lösung sein. Langfristig.
15 empfehlenswerte Organisationen, die Baumpflanzprojekte unterstützen
Worauf solltest du bei der Wahl einer Organisationen achten? Standards, wie der Gold Standard (beinhaltet sowohl die garantierte CO2-Kompensation, als auch den Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort) oder der Verified Carbon Standard (Berechnungsmethode der CO2-Kompensation, berücksichtigt keine sozialen und ökologischen Fragen), dienen dir als erste Orientierung. Falls soziale und ökologische Aspekte in einem Siegel nicht abgebildet sind, solltest du auf Zusatzsiegel achten, die dies garantieren. Ein weiteres Stichwort ist Transparenz: Kannst du sicher nachvollziehen, was mit deinem Geld konkret passiert? Sobald du unsicher bist, lieber nach einer anderen Organisation schauen.
Stiftung Warentest hat 2018 Kompensationsagenturen untersucht. Von den gut bis sehr gut bewerteten Organisationen unterstützen Primaklima und Myclimate auch Baumpflanzprojekte.
Hier findest du eine Auswahl an Aufforstungsprojekten:
- Bergwaldprojekt: Das Bergwaldprojekt wurde 1987 im Hinblick auf die Waldsterbensdebatte gegründet. Die Idee: Erhalt, Pflege und Schutz des Waldes im Berggebiet durch Pflege und Aufforstung in Arbeitseinsätzen. Mitmachen kann jeder ab 18 Jahren, die Einsatzorte befinden sich in ganz Deutschland. Ein Einsatz dauert eine Woche. Um die Anfahrt muss man sich selbst kümmern, Unterkunft und Verpflegung stellt das Projekt. Wer keine Zeit hat, selbst mitzuarbeiten, kann auch spenden.
- Ecosia – die Suchmaschine, die Bäume pflanzt: Mit dem aus Anzeigen erwirtschafteten Gewinn, pflanzt Ecosia Bäume. Heißt: Wer Ecosia nutzt statt Google, sorgt dafür, dass Bäume gepflanzt werden. Nach Angaben der Suchmaschinen-Betreiber bereits auf 40.000 Hektar Land. 3,7 Tonnen CO2 seien durch die gepflanzten Bäumen bereits aus der Luft gefiltert wurden. Unterstützen einfach: ecosian statt googeln. Hier erfährst du mehr über Ecosia.
- Eden Reforestation Projects: Armut reduzieren und Wälder aufforsten, dafür steht Eden Reforestation Projects. Gemeinsam mit den Bewohnern vor Ort setzt sich die Organisation Jahr für Jahr das Ziel, Millionen Bäume zu pflanzen – du kannst sie mit einer Spende unterstützen.
- Green Forest Fund: Die Heidelberger Organisation erwirbt Grundstücke und pflanzt darauf „Urwälder“: Also Wälder, die nicht für wirtschaftliche Zwecke angelegt werden und deren Bäume so alt wie möglich werden sollen. Alle Flächen werden ausnahmslos gekauft und langfristig unter Schutz gestellt, was Green Forest Fund von einigen anderen Anbietern unterscheidet.
- Naturefund: Die Organisation hilft Familien im Nationalpark Tunari im Hochland von Bolivien, auf Agroforst umzustellen: Neben höheren Erträgen entsteht bei dieser ressourcenschonenden Anbaumethode wieder ein Urwald. So wurden 2017 rund 4.000 Obstbäume und 6.000 einheimische Bäume gepflanzt.
- OroVerde: OroVerde bedeutet ‚grünes Gold‘, und genau für dessen Erhalt setzt sich die Tropenwaldstiftung ein. Regenwaldschutz gemeinsam mit Menschen vor Ort, Bildungsarbeit und der unermüdliche Hinweis darauf, dass unsere Einkaufsentscheidungen zählen, machen OroVerde absolut unterstützenswert.
- Primaklima: Seit 1991 setzt sich Primaklima für den Erhalt und die Aufforstung von Wäldern ein. Über 14 Millionen Bäume hat der Verein nach eigenen Aussagen bereits gepflanzt. Dabei setzt Primaklima auf hohe Standards und Transparenz. Von der Stiftung Warentest gab es dafür ein “sehr gut”. Bei Primaklima kannst du spenden, einen Baum pflanzen, einen Baum verschenken und deinen CO2-Fußabdruck berechnen und ausgleichen.
- Treedom: Die Organisation pflanzt Bäume in aller Welt – nach eigenen Angaben bereits über eine halbe Million seit 2010. Die Bäume werden von lokalen Kleinbauern gepflanzt, die mit dem Geld eine Anschubfinanzierung für die Pflege erhalten, solange die Bäume noch keine Früchte tragen.
- WWF: Von Schutzgebieten bis zum Fördern naturnaher Forstwirtschaft – mit mehr als 300 Projekten in fast 90 Ländern setzt sich der WWF für den Erhalt unserer Wälder ein. Mit Hilfe einer nachhaltigen Naturschutzfinanzierung soll das Schutzgebietsnetz dauerhaft gesichert werden.
Hier findest du eine Auswahl an Organisationen, die sich für den Schutz unserer Wälder einsetzen:
- Germanwatch: Die Entwicklungs- und Umweltorganisation engagiert sich für globale Gerechtigkeit und den Erhalt von Lebensgrundlagen.
- Green Forest Fund: schützt die Wälder nicht nur mit Baumpflanzprojekten (siehe oben), sondern bietet beispielsweise auch Urwaldspenden an, die bestehende Flächen schützen.
- NABU – Waldpate werden: Der NABU will fünf Prozent der deutschen Waldfläche bis 2020 wieder Urwald werden lassen.
- Naturland und FSC – Zertifizierung Wald und Holz: Achte beim Kauf von Holzprodukten auf Zertifizierungen von FSC und besser noch Naturland
- Pro Wildlife: Die Organisation will Lebensraum von Wildtieren bewahren.
- Rettet den Regenwald e.V.: Rettet den Regenwald e.V. setzt sich seit 1986 aktiv für den Schutz des Regenwaldes ein. Der gemeinnützige Verein benennt regenwaldzerstörende Projekte, Unternehmen und politische Entscheider.
- Robin Wood: Robin Wood ist eine deutsche Umwelt- und Naturschutzorganisation, die radikales Umdenken fordert: Nachhaltigkeit vor Profitstreben und Wachstum.
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